Kartenhaus
Designbüro in Eindhoven

von Ludger Fischer

Ein Sarg muss keine Ewigkeit halten. Ein Sarg soll keine Ewigkeit halten. Als letzte Behausung eines Menschen ist der Entwurf eines Sargs sicher eine Aufgabe für Architekten. Das Architektenduo RoAd, Ro Koster aus Hasselt in Belgien und Ad Kil aus Bergen op Zoom in Holland, entwarf im Rahmen eines Wettbewerbs einen Bambussarg. Das Material ist verstärkt mit biologisch abbaubarem Kunststoff. Der an eine Mumie erinnernde Entwurf ergibt sich aus der Materialkombination.

Ein Konzertsal muss keine Ewigkeit halten. Ein Konzertsaal kann auch nach einem Konzert wieder verschwinden. Ro Koster und Ad Kil entwarfen für ein einziges Wochenende mit experimenteller klassischer Musik im belgischen Alt Hoeselt einen hölzernen Konzertsaal für ein Piano und fünfzehn Zuhörer. Nach zwei Wochen Bauzeit und einem erfolgreichen Konzertwochenende wurde der sternförmige hölzerne Bau in der Sylvesternacht niedergebrannt.

Eine Büroeinrichtung muss keine Ewigkeit halten. Die Einrichtung des Grafikbüros Scherpontwerp in Eindhoven soll auch keine Ewigkeit halten. Sie soll dagegen ein Bekenntnis ablegen zum Material, mit dem hier vorwiegend gearbeitet wird: Papier. Seit 2005 arbeiten die zwölf Mitarbeiter dieses Büros mit und in Papier. Wände, Tische und Regale bestehen aus Wellpappe.

Wenig hilft viel

Als Erstes ramme ich beim Besuch des Designbüros beim Ausziehen des Mantels meinen Ellenbogen in die Trennwand, die eine Garderobennische bildet. Normalerweise wäre das schmerzhaft, hier sind nur ein paar Waben der Wellpappe eingedrückt, kein Schaden an Mensch und Material. Das Material dient normalerweise dazu, beim Transport von Glas weit stärkere Stöße abzufangen. Beim Versuch, Wellpappe zu durchstoßen, versagen selbst Karatemeister. Unscharfe Kanten gehören außerdem zum Konzept dieser Einrichtung. Der ausführende Tischler erhielt einen exakten Plan aller Wellpappen-Lagen. Er schnitt und verleimte sie nach Plan nicht genau. Das Material erhielt durch die geplante Ungenauigkeit eine fast grenzenlose Verarbeitungstoleranz.
Nur durch dieses Material ließ sich die lange Wunschliste der Auftraggeber zu einem angemessenen Preis verwirklichen. Es ist leicht, stabil, leicht zu verarbeiten, hat geringe Transportkosten, ist preiswert und erfüllt den wichtigsten Wunsch der Auftraggeber: eine problemlose Entsorgung. Die Bürofläche ist nur für fünf Jahre angemietet. Danach steht ein Umzug an und die Einrichtung kann, weil sie nicht für die Ewigkeit geschaffen wurde, zum Altpapier. Das ist eine wesentliche Qualität von Papier als Baumaterial.

Billig, praktisch

Der angemietete, 200m2 große Raum bestach durch seine Banalität: Ein charmefreies langes Rechteck mit einer höheren und einer niedrigeren Ebene. Ohne klare Gliederung wäre hier sehr schnell ein Chaos ausgebrochen. Ad Kil und Ro Koster entwarfen dagegen eine klare Struktur. Um einen freien Raum in der Mitte, in dem sich nichts als ein durchgehender Tisch für Präsentationen befindet, sind in Nischen eine kleine Kantine, ein Bibliothek, eine Treppe, ein Besprechungsraum sowie Arbeitsplätze eingelassen. Der offene Raum in der Mitte ist, wie ein städtischer Platz, klar definiert durch die „Bebauung“ der Seiten. Die Nischen in den Pappwänden wirken, als seien sie ausgeschnitten. Spannweiten von bis zu drei Metern sind mit den 10 cm hohen verleimten Platten leicht zu überbrücken.
Ein weiterer Vorteil: Das Designbüro hat zwölf Mitarbeiter, von denen auch bei vollem Betrieb nicht viel zu hören ist. Die extreme Geräuschdämmung, die durch die Wände erreicht wird, machte es möglich, die Standard-Gipsplatten der Deckenverkleidung zu entfernen und durch glatte Hartfaserplatten zu ersetzen, die dem Farbton der Wände entsprechen. Eigens entworfene Beleuchtungskörper aus Neonröhren, die von ihren Transformatoren und Startern getrennt und mit einer Halbschale aus Pappe abgedeckt sind, wiederholen das Motiv „Papier“.
Wie stellt man Innenarchitektur in einer Radiosendung dar? Beim Cardboard office kein Problem: Man fährt mit dem Finger über die Lamellen der Wellpappe. Drrrrrrrrrrrr.

Aus: BAUMEISTER 105 (2008), H. 3,  S. 72-76.