21. August 2012
Liebe Redaktion der Bauwelt,
mit Interesse haben wir den Artikel „Alabaster ist das nicht“ gelesen, der unsere neue Bibliothek für die Folkwang Universität der Künste behandelt. Der Artikel weißt kenntnisreich auf die schwierige Baugeschichte des Standorts in Essen-Werden hin und konzediert uns freundlicher Weise auch, dass die städtebauliche Lösung für die Bibliothek auf überzeugende Weise gelungen ist. In Bezug auf die Fassade der Bibliothek werden wir allerdings scharf kritisiert. Nun ist es natürlich das gute Recht der Bauwelt eine informierte Meinung zum Baugeschehen zu veröffentlichen. Wir finden aber, das die angestoßene Diskussion über das gewählte Material für ein/das deutsche Baufachorgan viel zu kurz gegriffen ist.
Als wäre Dudler auf frischer Tat ertappt worden, ruft der Autor mit Empörung: Aus hauchdünnem Stein wurde eine Doppelverglasung mit Steinfotos. Nun ist es aber so, dass in Deutschland auch hauchdünner Stein den Anforderungen der ENEV genügen muss. Der hauchdünne Stein hätte deswegen auch zu einer Isolierglaseinheit verarbeitet werden müssen – mit den entsprechenden konzeptionellen und technischen Problemen - und damit verbundenen Kosten. Es ist insofern richtig, dass wir gemeinsam mit unserer Bauherrnschaft die Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen unserer alten Lösung mit dem bekannten Ergebnis diskutiert haben. Und ja, das ist in gewisser Weise bedauerlich. Man muss sich aber auch vor Augen halten, welche Reaktionen ein solcher Alabastertempel in einer Stadt wie Essen (möglicherweise sogar zurecht) hervorgerufen hätte, insbesondere wenn es auf das Thema Geld kommt. Wir haben deswegen die Entscheidung unseres Bauherrn mitgetragen, mit dem Ziel etwas Neues zu entwickeln, dass genauso einen wegweisender Beitrag zum modernen Bauen darstellen kann. Wir haben ein Ergebnis erzielt an dem es unseres Erachtens nicht das Geringste zurückzunehmen gibt.
Es ist Politik des Büros, im Falle solcher Diskussionen nicht in die berühmten Wüsten zu fliehen, nur weil nicht alle Knabenmorgenblütenträume reiften. In der Baugeschichte sind wir damit in guter Gemeinschaft. Die Säulen von Schinkels Pamonatempel etwa wurden einfach in Holz errichtet und weiß angestrichen. Aber in Essen war es nicht der preußische Pragmatismus, der unser Vorbild war. Ausgangspunkt unserer Überlegungen waren die besagten Schwierigkeiten, die der Verbund von Stein und Glas mit sich bringt. Wenn im Barock der Ausdruck der verfügbaren Steine nicht genügte oder die Ausführung einer gewendelten Säule die Tragfähigkeit der ganzen Ordnung gefährdete, verwandte man die Scagliola-Technik, den Stuckmarmor. Auch die avancierteste Raumschöpfung konnte so noch realisiert werden. Ähnlich verhält es sich bei der Bibliothek. Konzeptionell macht der Materialwechsel nämlich gar keinen Unterschied. Die Sgraffito- Technik kommt unserem Ansatz vielleicht sogar noch näher: Hier wurde ein grafisches, perspektivisch-plastisches Steinmotiv in eine Ebene Putzfläche gezeichnet (geritzt). Gerade diese Spannung zwischen Material und Motiv hat uns interessiert. Nichts anderes machen die Fotos von Stefan Müller, die in einem technisch aufwendigen (und ebenfalls) neuartigen Verfahren direkt auf das Glas aufgebracht wurden, was nebenbei gesagt auch nicht günstig ist. Die Fotos zeigen ja nicht, wie bei einem Laminat ein Foto des Materials als Ersatz, vielmehr zeigen Sie den plastischen Stein, wie man ihn im Steinbruch sehen kann. Sie sind also als Fotografien kenntlich gemacht. Dazu gehört auch, dass es 12 Motive gibt, ähnlich den 12 Tönen der temperierten Skala. Gerade die Spannung zwischen Material, Motiv und Medium waren ausschlaggebend für die Wahl und Komposition der Motive. Und das sieht - der ein oder andere wird sich angesichts des in der Bauwelt abgebildeten Fotos die Augen gerieben haben - richtig gut aus.
P.S. Und sie haben es noch nicht von innen gesehen.
Ihr Max Dudler